Was krabbelt denn da? Ektoparasiten bei Hühnern erkennen und behandeln. Teil 1: Rote und Nordische Vogelmilbe

Es gibt einige Ektoparasiten, die unseren Tieren das Leben schwermachen können und sogar lebensbedrohlich werden, nehmen sie überhand. In dieser Serie werden die häufigsten Krabbler vorgestellt:

  1. Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) und Nordische Vogelmilbe (Ornithonyssus sylviarum)
  2. Kalkbeinmilben (Knemidoceptes mutans)
  3. Federlinge (Mallophaga)
Ein naturnaher Auslauf ist ideal für Hühner, man sollte aber immer auch die Parasiten im Blick haben! (Foto: Sonja Voget)

Erkennen und Unterscheiden

Beide Milben-Arten sind blutsaugende Parasiten, die sowohl auf Wildvögeln, Ziervögeln als auch Hausgeflügel vorkommen. Befallene Tiere leiden unter starken Juckreiz, Hautentzündungen und sind dadurch unruhig bis gestresst. Ist der Befall außer Kontrolle kann der hohe Blutverlust sogar zur Schwächung und, je nach Größe und Allgemeinzustand des Tiers, im Extremfall zum Tod führen. Zudem können Milben auch Überträger diverser Krankheiterreger sein, wie den viralen Erreger der Newcastle Disease oder Bakterien wie E. coli und Salmonellen.

Regelmäßig sollten die Tiere wie auch der Stall auf einen Befall hin untersucht werden. Ein doppelseitiges Klebeband an den Rändern der Sitzstange kann zB helfen, die Stärke des Befalls mit der roten Vogelmilbe abzuschätzen. Unruhige Tiere, übermäßiges putzen, Abfall der Legeleistung und blasse Kämme können Anzeichen eines schon stärkeren Befalls sein.

Der größte Unterschied beider Arten besteht darin, dass die rote Vogelmilbe nur nachts für ca 1-2 Std die Tiere befällt, um Blut zu saugen, sich tagsüber im Stall in Ritzen und Spalten versteckt und auch dort die Eier ablegt. Dabei bleibt sie meist in der Nähe der Sitzstangen (1-2m). Man findet Milbenansammlungen als graue oder rote Beläge, je nach Entwicklungsstadium und ob bereits Blut aufgenommen wurde.


Verschiedene Entwicklungsstadien der roten Vogelmilbe (Foto: Sonja Voget)

Die nordische Vogelmilbe lebt hingegen komplett auf dem Tier und legt ihre Eier an der Federbasis ab, bevorzugt rund um die Kloake oder unter den Flügeln. Nicht mit den Eipaketen der Federlinge verwechseln! Häufig reißen sich die Tiere aufgrund des Juckreiz Federn aus, es entstehen kahle Stellen.

Eipakete, Faeces, Hüllen und Tiere der Nordischen Vogelmilbe (Foto: Hinkle NC et al. Parasit Vectors. 2018;11(1):99.)

Vorbeugung

Das beste Mittel ist immer noch vorbeugende Stallhygiene und regelmäßige Kontrolle der Tiere und Verstecke, um frühzeitig auf einen Befall reagieren zu können.

Hühner lieben es im Staubbad zu „baden“! (Foto: Sonja Voget)
  • Staubbad: Ein ordentliches Staubbad ist elementar für die Gefiederpflege der Hühner und hilft den Parasitendruck zu reduzieren. Man kann Kieselgur mit untermischen, um den Effekt zu verstärken.
  • Verstecke eliminieren: Der Stall sollte möglichst arm an Ritzen und Spalten sein, denn dann hat die rote Vogelmilbe wenig Möglichkeiten zum Verstecken und die Bekämpfung ist einfacher.
  • Kalken: Zusätzlich kann der Stall von innen mit Kalk gestrichen werden. Der Anstrich verschließt viele Ritzen, ist desinfizierend, ungeziefer- und pilzhemmend und sorgt für ein trockenes Stallklima. Im Handel gibt es gelöschten Kalk (= Sumpfkalk, Weißkalkhydrat, Kalkfarbe) und ungelöschten Kalk (= Branntkalk, Ätzkalk).
  • Kieselgur: Zusätzlich sollte der Stall regelmäßig mit Kieselgur behandelt werden (siehe auch Bekämpfung für Details).
  • Sitzstangen schützen: Da die rote Vogelmilbe nur nachts die Tiere befällt, unterbricht man den Zugang zu den Tieren. Die Sitzstangen-Aufhängungen werden in kleine Töpfchen gestellt, die zB mit Öl oder Spüliwasser gefüllt werden.
Beispiel für eine milbensichere Sitzstangenaufhängung (Foto: Sonja Voget)

Bekämpfung

Milben durchlaufen unter idealen Bedingungen (Temperatur und Luftfeuchte) alle Entwicklungsstadien von Ei zum adulten Tier innerhalb von 7-10 Tagen. Egal für welche Form der Bekämpfung man sich entscheidet, die Maßnahmen sind zu wiederholen, um auch neu geschlüpfte Milben zu erwischen.

Chemisch

Biozide wirken nicht nur gegen „Schadinsekten“, sondern sind häufig auch stark schädigend für alle Insekten wie zB Bienen und/oder giftig für Wasserorganismen. Auch Nebenwirkungen bei Überdosierung oder falscher Anwendung für den Menschen sind beschrieben. Der Einsatz von Bioziden sollte, wenn überhaupt, die letzte Option sein und strikt nach Herstellerangaben erfolgen! Ebenso die Entsorgung!

Pyrethroide, abgeleitet aus den Hauptwirkstoffen des Insektizids Pyrethrum. Zugelassen für lebensmittelliefernde Tiere sind Cypermethrin, Cyhalothrin, Cyfluthrin, Deltamethrin, Flumethrin, Fenvalerat und Permethrin. Leider gibt es gegen Pyrethroide bereits weit verbreitete Resistenzen (bis über 90%!), eine Wirksamkeit ist daher fraglich. Wichtig: „Viel hilft viel“ ist hier genauso falsch wie eine zu geringe Dosierung und hat zur Resistenzbildung und -selektion beigetragen!

Spinosad (Handelsname Elector), Mischung aus den Metaboliten Spinosyn A und Spinosyn D des Aktinomyceten Saccharopolyspora spinosa. Das Mittel wird mit Wasser verdünnt und im Stall ausgebracht.

Fluralaner (Handelsname Exzolt): Es handelt sich ebenfalls um ein synthetisches Insektizid/Akarizid, welches eine Zulassung zur Anwendung an Hund, Katze und Haushuhn besitzt (Bezug über den Tierarzt). Die Verabreichung erfolgt zweimalig über das Trinkwasser, um auch später geschlüpfte Milben zu erwischen. Wichtig: Auch hier ist eine vorbeugende Stallhygiene unerlässlich, sonst ist der Befall nach kurzer Zeit wieder da (das Mittel darf nur im Abstand von drei Monaten angewendet werden).

Physikalisch

Nester der roten Vogelmilbe können gezielt abgeflammt werden. Hierbei sollte die Einstreu und Stalleinrichtung soweit wie möglich entfernt werden, um an die dort versteckten Milbennester zu gelangen. Vorsicht: Brandgefahr!

Biologisch

Kieselgur: Der amorphe Silikatstaub zur Ausbringung im Stall ist schon kein Geheimtipp mehr. Die feinen Partikel wirken wie Schmirgelpapier und verletzen die Milben, die Tiere werden regelrecht ausgetrocknet. Durch die amorphe Struktur besteht keine Gefahr der Lungenschädigung während des Verstäubens, nichts desto trotz sollte eine Atemschutzmaske getragen werden (ab FFP1). Es gibt bereits feinste Kieselgur, die mit Wasser angerührt versprüht werden kann und beim Ausbringen nicht staubt und sich gut in den Ritzen absetzt.

Octansäure, Decansäure: Häufig aus Kokosöl gewonnen, töten diese Substanzen Parasiten ab (Octansäure) oder verstopfen die Tracheen, so dass diese ersticken (Decansäure). Es gibt diverse Mittel im Handel für die Anwendung am Tier (z.B. Verminex, HS Protect Bird), es werden immer nur wenige Tropfen verteilt aufgetragen vor allem im Bereich der Kloake und unter den Flügeln. Um auch die später schlüpfenden Parasiten zu erwischen, sollten solche Mittel immer mehrmals in Abstand von ca 7-10 Tagen angewendet werden.

Medizinisches Weißöl/Ballistol: Das Öl umschließt den Parasiten und erstickt ihn. Um auch die später schlüpfenden Parasiten zu erwischen, sollten solche Mittel immer mehrmals in Abstand von ca 7-10 Tagen angewendet werden.

Raubmilben: Räuberische Milben aus der Familie der Laelapidae wie zB Stratiolaelaps scimitus oder S. aculeifer (früher Hypolaspis spp.) finden Einsatz in der Landwirtschaft, in Terrarien aber auch in der Hühnerhaltung, da sie Jagd auf Vogelmilben machen. Raubmilben legen ihre Eier in den Boden bzw. die Einstreu und benötigen, ähnlich wie die Vogelmilben, Temperaturen ab 15°C und ca 10-15 Tage für alle Entwicklungsstadien. Eine Raubmilbe verspeist ca 5 Vogelmilben/Tag. Häufig erscheint der Befall mit Vogelmilben Anfangs zuzunehmen, da die Raubmilben die Vogelmilben aus ihren Verstecken treiben. Idealerweise fängt man mit Raubmilben an, bevor der Befall zu stark wird. So helfen die Raubmilben die Vogelmilben Population in Schach zu halten. Wichtig: Biozide und Kieselgur schaden den Raubmilben genauso wie den Vogelmilben!

Trinkwasser- oder Futter Zusätze: Sollen vorbeugend als Repellent wirken und eignen sich nicht zur Bekämpfung. Den zugesetzten ätherischen Ölen (zB Citronellagras, Gewürznelke) wird eine Ungezieferabweisende Wirkung zugesprochen.